Auf diesem Foto wurde Conrad Schumann verewigt, als er über die Barrikade sprang, die später die Berliner Mauer werden sollte. Das Foto trug den Titel „Der Sprung in die Freiheit“. Es wurde zu einem ikonischen Bild des Kalten Krieges.
Er wurde mitten im Zweiten Weltkrieg im sächsischen Zschochau geboren und meldete sich nach seinem 18. Geburtstag bei der ostdeutschen Staatspolizei.
Da er sich stets als loyaler und fleißiger junger Bürger der Deutschen Demokratischen Republik erwiesen hatte, boten ihm die örtlichen Militärbeamten eine Eliteposition in der paramilitärischen Bereitschaftspolizei („BePo“) an, die speziell für die Niederschlagung des Aufstands eingerichtet wurde.
Am 15. August 1961 wurde der 19-jährige Schumann an die Ecke Ruppiner Straße/Bernauer Straße geschickt, um am dritten Tag des Mauerbaus dort Wache zu halten.
Damals bestand die Mauer nur aus einem niedrigen Stacheldrahtzaun. An derselben Stelle, im Westen Berlins, stand der 19-jährige Fotograf Peter Leibing.
Über eine Stunde lang stand Leibing da und beobachtete den nervösen jungen Unteroffizier, wie er mit seiner PPSh-41 über der Schulter auf und ab ging und eine Zigarette nach der anderen rauchte. „Kommt herüber, kommt herüber!“ , skandierte die Westberliner Menge auf der Bernauer Straße. „Er wird springen!“, bemerkte ein Passant.
Und am 15. August 1961 um 16 Uhr hatte Leibing Glück. Schumann warf seine Zigarette weg, drehte sich um und rannte auf den Stacheldraht zu, der die Grenze zwischen Ost und West markierte.
Er sprang, warf dabei seine Waffe weg und Leibing drückte auf den Auslöser. Ein in der Nähe stehender Kameramann einer Wochenschau fing die gleiche Szene auf Film ein.
Sofort wurde Schumann von der West-Berliner Polizei vom Tatort weggefahren. Anschließend wurde er auf eine örtliche Polizeiwache gebracht, wo er ein Leberwurstbrot und noch eine Zigarette verlangte.
Nach einem eingehenden Verhör erhielt Schumann ein Flugticket nach Bayern – ein Ort, der so weit von der DDR entfernt war, wie er nur kommen konnte. Später landete er als Weingutsarbeiter in Bayern.
Doch Ruhm und Flucht machten ihn nicht glücklich. Der Polizeipsychologe, der Schumann kurz nach seiner Flucht in Berlin befragte, stellte in seinem Bericht fest, dass der Soldat zutiefst beunruhigt war über die Publizität, die seine Tat ihm und seiner Familie zu Hause bescheren würde.
Er hatte nicht nur große Bedenken, seine Kameraden mitten in einer „Kampfoperation“ im Stich gelassen und seinen heiligen Eid gebrochen zu haben, er fürchtete auch um sein Leben. Es gibt eine Reihe nachgewiesener Fälle von ostdeutschen Flüchtlingen und sogar westdeutschen Kritikern, die von Stasi-Agenten ermordet oder verschleppt wurden.
Erst nach dem Fall der Mauer 1989 habe er sich wirklich frei gefühlt, sagte Schumann in einem Interview in den 1990er Jahren. Trotzdem vermied er nach der Wiedervereinigung mehrere Jahre lang Besuche bei seinen Eltern und Geschwistern in Sachsen, und seine ehemaligen Kameraden wollten nichts mit ihm zu tun haben.
Einmal Deserteur, immer Deserteur. Am 20. Juni 1998 beging der 56-Jährige unter Depressionen Selbstmord und erhängte sich in seinem Obstgarten nahe dem oberbayerischen Kipfenberg.